Kaninchenschlachten Hamburg vs. Berlin

In Ratekau (Kreis Ostholstein), das ist nicht in Hamburg oder Berlin sondern auf dem platten Land, wurde neulich auf der Cesar-Klein-Gemeinschaftsschule, in einer Steinzeit-Projektwoche Themenwoche, ein Kaninchen geschlachtet.
„Super Aktion“ war mein erster Gedanke. Wieder einen Bezug zum Essen bekommen, etc. man kennt das ja. Mutig. Toll. Finde ich gut.

Saddle of rabbit, lacquered shoulder, fresh gnocchi, olives and tomatoes

Foto: Saddle of rabbit, lacquered shoulder, fresh gnocchi, olives and tomatoes von Sifu Renka

Und was machen die Merkbefreiten auf dem Land? Sie bezeichnen das als pervers und barbarisch. Unglaublich, da fällt mir glatt mein Mettbrötchen aus der Hand. Die Generation mit SUV zum Bioladen & 3000nettoPlus Bionade-Biedermeier kann ich nicht Ernst nehmen, wenn sie nach so einer sinnvollen Aktion sinnbefreit Argumentiert:

Landeselternbeirat bezeichnet Kaninchen-Tötung bei Schulprojekt als pervers.

Quelle: Lübecker Nachrichten – Erst gestreichelt, dann geschlachtet

Diese Bigotterie ist die Pest. Fleisch nur essen, wenn es nicht wie Fleisch aussieht? Pah.
Des Pudels Kern, bzw. Kaninchens Herz ist das da:

Der Vater einer Fünftklässlerin, ein Landwirt aus Arfrade, hatte das Tier zur Verfügung gestellt. Eine Mutter, die namentlich nicht genannt werden möchte, berichtet von den Erlebnissen ihres elfjährigen Sohnes: „Die Kinder durften das Kaninchen noch streicheln.“ Anschließend habe der Mann das Tier vor den Augen der Jungen und Mädchen mit einem Hammerschlag betäubt, ihm anschließend die Kehle durchtrennt. Danach sei das Kaninchen aufgeschnitten und ausgenommen worden, das Fell sei abgezogen worden. „Zum Ausbluten wurde das Tier an den Beinen aufgehängt.“ Später wurde das Kaninchen auf dem Schulhof gegrillt und verspeist. Die Mutter klagt an: „Mein Sohn kam käseblass nach Hause. Er schläft seitdem schlecht, hat lange Zeit nichts gegessen.

Lübecker Nachrichten – Schock-Unterricht in Ratekau: Kaninchen in Schule geschlachtet

Jedes, wirklich jedes Stück Fleisch und Wurst in eurem Kühlschrank wurde auf deutlich dramatischere Weise geschlachtet. Nachdem die Kinder freiwillig zusahen und die Presse den üblichen Wettbewerb der reisserischen Schlagzeilen fährt, melden sich weitere aus der Generation mit SUV zum Bioladen & 3000nettoPlus Bionade-Biedermeier:

Irene Johns, Vorsitzende des Kinderschutzbundes Schleswig-Holstein, ist empört. … Der Landeselternbeirat für Gemeinschaftsschulen nennt die Ratekauer Aktion „pervers“. … Das Kieler Bildungsministerium billigt das Schlachten des Tieres im Unterricht nicht. … Helles Entsetzen löst die Nachricht beim Deutschen Tierschutzbund aus.

Was kann es sinnvolleres für den Tierschutz geben, als zu sehen, dass Fleischwurst irgendwann mal über die Wiese gehoppelt ist?
Eben. Darum ist das eine absolut begrüßenswerte Aktion.
Ich gratuliere der Schule und den Lehrern dazu.

Nachtrag:
Den Begriff Generation 3000nettoPlus hatte ich neulich in einem ähnlichen Zusammenhang aufgeschnappt. Irgendwas mit Kollwitzplatz, SUV-Fahrern, gentrifizierung, yuppisierung, Bionade-Biedermeier. Genau. Bionade-Biedermeier. Das trifft es besser. Das ist das da, kann man lesen.

Der Bionade-Biedermeier ist augenzwinkernd-polemisches Synoym für jene, in die besten Jahre gekommene Generation Golf … Alternative Gesinnung als Lifestyle. Alnatura Dinkelkekse mümmelnd, unterstützt der Bionade-Biedermeier den gesellschaftlichen Wandel überwiegend durch den Kauf biologisch-ökologisch korrekter Milch. … In ganz wütenden Stunden denkt der Bionade-Biedermeier intensiv über eine Mitgliedschaft bei Foodwatch nach.

Quelle: nutriculinary.com – „Auf Sie mit Idyll!“ Wiglaf Droste und die Bionade-Biedermeier. Szenen einer Lesung.

Dem Kind biologisch-ökologisch-politisch-fettarm und umweltgerechte Rinderfilet (aber nicht zu viel!) vorsetzen und ein geschlachtetes Kaninchen als „Pervers“ zu bezeichnen – das ist auch eine Form von Bionade-Biedermeier. Irgendwie. Ihr wisst was ich meine. Das Einkommen ist mir egal, es geht um Haltung, mehr nicht. Danke für die zahlreichen Zuschriften zu diesem einen Punkt.

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12 Gedanken zu „Kaninchenschlachten Hamburg vs. Berlin“

  1. Grossartig Aktion, habe heute morgen auch davon erfahren und
    war genau deiner Meinung. Wenn man (wie ich) Fleisch ißt, sollte man in der Lage sein dieses zu erlegen – oder zumindest
    eine Verbindung zu dem Lebenwesen herstellen können.

  2. Kann die Aktion auch nur begrüßen. Das Herumhacken auf SUV-Fahrern und 3000 € plus -Verdienern finde ich allerdings kontraproduktiv: nicht wenige davon gehen übrigens zur Jagd, das ist den Club Mate-Hipstern und Prenzlberg-Schwaben dann aber auch wieder nicht recht. Die Heuchelei herrscht überall.

  3. Ganz so einfach finde ich das nicht. Beim Schlachten zuzusehen, ist psychisch nicht unbedingt einfach für ein Kind, manche haben womöglich selbst ein Kaninchen zu Hause, und ich finde, das kann man nicht einfach über die Köpfe der Eltern hinweg machen. Natürlich ist es wichtig, den Kindern beizubringen, dass ihr Fleisch mal über die Wiese gehoppelt ist (haha, as if) und totgemacht werden muss. Aber ohne entsprechende Vorbereitung und Einwilligung der Eltern und eine Einschätzung, wie das jeweilige Kind damit umgehen kann, finde ich es brutal.

    Übrigens, Aufklärungsunterricht findet auch nur theoretisch statt, ohne praktische Vorführung.

  4. Zufälligerweise hatte ich gestern mit meinem achtjährigen genau das gleiche Thema: „Das was du isst wuchs nicht auf Bäumen…“ aber ich denke das es schon einen Unterschied macht ob man den, nennen wir es mal „Verwandlungsprozess“ vom süßen Kaninchen zum Stück Fleisch erzählt bekommt, auf Zeichnungen oder Fotos sieht, als Film vorgeführt bekommt oder ob man live dabei ist. So sehr ich die Aktion begrüßenswert finde den Kindern den Bezug zu ihrer Nahrungsherkunft (wieder)herzustellen, so kann ich doch die Bedenken der Eltern verstehen.
    Vielleicht hätte man die Aktion mit einem Fisch machen sollen. Da ist der Niedlichkeitsfaktor deutlich geringer und Mütter regen sich dann nicht mehr ganz so doll auf wie bei einem knuffigen Kaninchen ;-)

  5. Im Radio rufen Leute an und die Meinungen sind dort auch, ich sage mal, gespalten. Die ältere Ffraktion ist der Meinung „Klar, Hühner, Hasen, Ziegen, haben wir alles selbst gemacht früher“ und die haben meiner Meinung nach Recht. Warum soll man das nicht anbieten? Wenn die Kinder das nicht sehen wollen, dann eben nicht.

    @Sven
    Wo ist denn der Unterschied zu einem Fisch? Verstehe ich auch nicht. Mein Sohn will immer zum Markt, zu den Fischen. Die schwimmen da in einem becken. Ab und an wird einer rausgenommen, betäubt, ausgenommen, verkauft. Er und sehr viele andere Kinder schauen sich das begeistert an. Spielt es eine Rolle, ob das glibberige, grün-rote Zeug aus einem Fisch oder aus einem Kaninchen kommt?

    @isabo
    Die Kinder wurden gefragt, ich nehme mal an, dass die Kinder mit eigenem Kaninchen sich das nicht ansehen haben. Ausserdem, die wohnen auf dem Land! Volle Möhre auf dem Land.
    Ratekau hat 4000 Einwohner. Nicht lang schnacken, Kopf in Nacken und so … in diesem Fall Nicht lang schnacken, Hammer in’n Kaninchennacken.
    Wenn irgendwas traumatisierend war, dann dass Aufklärungsunterricht nur theoretisch statt fand.

    @Kiki
    Das ist geändert, ich gebe zu, da habe ich mich falsch ausgedrückt.

    @Nils
    Danke für das Feedback

  6. Danke für den Blogpost. Ich fing schon an, mich angesichts der Hysteriker auf Facebook allein und verloren zu fühlen mit der Meinung, die Aktion von A-Z sehr okay zu finden. 10 Jahre ist genau richtig für sowas. Wenn ein einzelnes Kind psychisch zurückgeblieben ist, sollte es psychologisch betreut werden, anstatt den Unterricht der restlichen aufzuhalten.

  7. Ich hab heute morgen schon gefeiert als ich die „Nachricht“ im Radio gehört hab. Selber esse ich ganz wenig Fleisch, und wirklich mit Appetit und gutem Gewissen nur das was ein Jäger geschossen hat.
    Außerdem: Nach dem Empören wird wieder schön grün gewählt und alle verstanden die bei vollem Bewusstsein schächten müssen – „kulturell“ bedingt.
    Bei uns hingegen kommen ja die Erbsen aus der Dose, der Strom aus der Steckdose, die Milch gibt uns die Kuh, und „Produkte“ aus der Tiermassenproduktion müssen das teuerbezahlte Siegel „Öko“ tragen.
    Was für eine widerliche Doppelmoral in dieser idiotischen Gesellschaft – krankhaft.

  8. „Was kann es sinnvolleres für den Tierschutz geben, als zu sehen, dass Fleischwurst irgendwann mal über die Wiese gehoppelt ist?“
    Also ich habe noch nie ein hoppelndes Schwein gesehen. :-)

  9. Ach, ich hab früher auch gesehen wie Hühner und Schweine getötet wurden, wie Schweine-Herzen an der Wäscheleine hingen, und aus all dem Zeug dann ne Wurst wurde. Wir waren wegen der Hasen auch unendlich traurig, haben geheult und das Essen verweigert. Und was ist aus mir geworden? Bin Teil der Generation mit SUV zum Bioladen & 3000nettoPlus geworden. #seufz

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